Der Retzer Erlebniskeller



Die Stadt wurde im ausgehenden 13. Jh. am Kreuzungspunkt zweier mittelalterlicher Handelswege gegründet und 1425 durch Hussiten (Taboriten) vollkommen eingeäschert.

 

Die überbrachten Berichte sagen aus, dass die Hussiten die südliche Stadtmauer untergruben und so die Stadt eroberten. Das aber sagt uns, dss es zu diesem Zeitpunkt bereits sehr ausgedehnte Kelleranlagen unter der Stadt gab, die bis in die Nähe der Stadtbefestigung reichten. Es muss somit damals schon einen weitreichenden Weinhandel gegeben haben, der 1458 von Kaiser Friedrich III. als Privileg rechtlich verankert wurde.

 

Aus Erfahrung wussten die Retzer Bürger, dass gleichbleibende Temperatur im Keller den Wein zu jener Güte reifen ließ, die es gestattete, den Wein in die damalige weite Welt zu führen.

 

Da die Stadt Retz auf einer frühtertiären Meeresablagerung erbaut wurde und dieser Quarzsand sehr fest ist, mussten die Keller nur aus der Sandschicht herausgekratzt werden. Der Sand läßt sich mit dem Finger abheben. Die Keller erreichten eine Tiefe bis zu 20 Metern.

 

Viele der Keller wurden, vor allem im 19. und 20. Jh., mit Ziegeln ausgekleidet. Das aber keineswegs aus Gründen der Festigkeit, sondern nur aus Renomiergehabe. Viele der Keller unter der Stadt bestehen heute noch im Originalzustand, so wie sie vor Jahrhunderten aus dem Sand gegraben wurden.

 

Im Zweiten Weltkrieg wollte die deutsche Wehrindustrie in diesen ausgedehnten Kelleranlagen die Produktion von Flugzeugteilen unterbringen.

 

Da die Luftfeuchtigkeit hier ca. 87 % beträgt und bei der über das ganze Jahr gleichbleibenden Temperatur von etwa 8° Celsius geheizt hätte werden müssen, wurde das Projekt fallengelassen. Erhalten blieben aus dieser Zeit Pläne von Kellern.

Manches technische Rätsel läßt sich aus diesen Plänen lösen. Es zeigt sich, dass die Keller vielfach untereinander verbunden waren, oder so knapp an den Nachbarkeller herausgestochen worden sind, um im Falle eines Einsturzes einen Ausgang zu finden.

Jedes Haus hat, trotz des Kellerverbundes, seinen eigenen Kellerabgang. Die Kellerausdehnungen stimmen mit den oberirdischen Parzellengrenzen nicht überein. Man verlängerte die Keller, wenn Bedarf war. War ein Bürger in der Lage viel Wein zu kaufen, so vergrößerte er seinen Keller der Länge nach, oder er grub in die Tiefe. Dann entstand eben eine 2. oder 3. Etage.

 

Es scheint wohl, dass sehr bald Erfahrungen über die Belüftung der Keller vorgelegt waren. Denn die Belüftungsschächte (Dampflöcher) zu den Straßen, Gassen, Höfen und Gärten waren die einzige Orientierungshilfe für den Kellerbau in der Horizontalen, als auch in die Tiefe. Durchwegs sind die Dampflöcher so gesetzt, daß sie vom höchsten Punkt der Kellerröhre zur Oberfläche hinaufgebohrt wurden.

 

Die Dampflöcher waren für den Feuchtigkeitsgehalt der Kellerluft ungemein wichtig.

 

In frühen Zeiten wurden Keller auch gemauert, vor allem die eher seicht liegenden Keller, deren Basen nur wenige Meter unter den Straßen (bis zu 80 cm) liegen. Schon in der Zeit der Romanik (12. Jh.) war eine Gussbauweise entwickelt worden, wie sie bei dem Bau von Krypten (Unterkirchen) verwendet wurden. Da nur ein Teil der Keller 1943/44 vermessen wurde, sind die gesamten Längsdimensionen unbekannt. Schätzungen sprechen von 16 bis 25 km, die allerdings nicht nur die Keller der ehemals befestigten Stadt, sondern die der ehemaligen Gemeinden Altstadt Retz, Ober- und Unternalb einschließen.

 

Nur die Keller der Weinbauern (Hauer) sind heute noch in Betrieb. Die Keller sind im Grundbuch nicht erfasst, daher sind Eigentumsverhältnisse äußerst schwierig zu klären.

 

 

Kellerplan Hauptplatz Retz